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Sauerländer Heimatbund, Heft 2, 2005 Dr. Theo Bönemann
Wasserreichtum, Holz und Erze waren Grundvoraussetzungen für die Errichtung der wohl ältesten Hochofenanlage Deutschlands unweit des Schlosses Wocklum bei Balve. Anna Maria Theresia von der Reck (1710-1765), verheiratet mit Franz Kaspar Ferdinand von Landsberg, ließ ab dem Jahr 1748 die Eisenhütte errichten. Die Anlage hatte ursprünglich die Aufgabe, aus Erzen und verschiedenen Zuschlägen Roheisen für die Herstellung von Achsen, Gewichten, Rohren und Rohranschlussstücken zu erzeugen sowie die Sozialstruktur des Umlandes und den Verdienst des Eigentümers zu verbessern. Späterer Namensgeber der Hütte wurde Luise von Landsberg-Velen (1797-1866), Gattin des technisch begabten Ignaz (1788-1863). Die Familie Landsberg-Velen zählt zu jenen Adelsgeschlechtern, die durch Erfindergeist und durch Unternehmertum Meilensteine in der Frühgeschichte der Technik gesetzt haben.
Beispielsweise war der Hochofenschacht bis unter einer gewissen Höhe aufgestockt worden, daß die Holzkohle unter ihrem Eigengewicht nicht zusammenbrach. Im Gegensatz dazu erlaubte Koks wegen seiner Festigkeit eine wesentlich größere Bauhöhe und damit eine bessere Effizienz von Hochöfen. Als die Konkurrenz der Eisenhütten im Ruhrgebiet in der Mitte des 19. Jhs. dank billigen Steinkohlekokses übermächtig wurde, die Zufahrtsstraße durch das Hönnetal zu einer der zerfurchtesten Straßen im Lande verkommen war, im Sommer häufig keine Fuhrwerke für den Abtransport der Endprodukte zur Verfügung standen und die unterschiedlichen Spurbreiten der Fuhrwerke schließlich ein unüberwindbares Hindernis darstellten, gab die Familie Landsberg-Velen den Betrieb im Jahre 1865 wegen fehlender Rentabilität auf. Noch heute ist sie jedoch Eigentümerin der Anlage. Die Hütte wird gemäß Pachtvertrag seit dem Jahre 1941 vom Kreis Arnsberg und seit 1978 von seinem Rechtsnachfolger, dem Märkischen Kreis, unterhalten. Im Jahre 1950 wurde sie als „reines“ technisches Denkmal, nicht als Kunstdenkmal, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die für ihren Niedergang verantwortliche abseitige Verkehrslage sollte sich später als glücklicher Faktor für die nahezu vollständige Erhaltung des stillgelegten Betriebes erweisen. Allerdings ist es heute dringlich, die Hütte nach mehreren, teilweise auch unsachgemäßen Renovierungen vor dem Verfall zu retten. Die Anlage ist daher geschlossen und nur noch im Außenbereich zugänglich. Als der westfälische Landeskonservator die Luisenhütte am 6. Oktober 2003 als „herausragendes technikgeschichtliches Dokument“ sowie ihre nationale kulturelle Bedeutung hervorhob, stellte er ebenfalls fest, „dass an diesem Standort, einzigartig für das Gebiet der Bundesrepublik, alle Komponenten eines betriebenen Holzkohle-Hochofens in situ erhalten geblieben sind.“ Auf dieser angemessen hohen Einstufung basiert die großzügige Freigabe von Fördergeldern für eine bauliche, bereits angelaufende Renovierung sowie die Einrichtung als Museum nach modernstem Konzept. Ziel ist die Umnutzung als Industriemuseum. Von den etwa zwei Millionen Euro veranschlagten Kosten sind bereits 80 % als Fördergelder von namhaften Geldgebern bewilligt, so vom Bund, dem Land, dem LWL und der NRW-Stiftung. Der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt liegen entsprechende Anträge vor, sodass die Wiedereröffnung für den Mai 2006 geplant ist. Ein eigens gegründeter Förderverein steht als Sponsor und Ratgeber zur Verfügung. Bedauerlicherweise ist die unterhalb der Anlage gelegene Kornmühle (alter Stabhammer von vor 1775) schon seit längerer Zeit außer Betrieb. Die ihr benachbarte Sägemühle (alte Schleifmühle) ist seit kurzem ihrer alten museumsreifen Technik beraubt worden, sodass eine Denkmalwürdigkeit nicht mehr gegeben ist. Der Besucher der Luisenhütte soll demnächst von der Erzgewinnung bis zum fertigen Produkt und dem Gang der Arbeitsprozesse folgend anschaulich und selbsterklärend durch relevante Medien erfahren, wie alle historischen Arbeitsbereiche miteinander verwoben sind. Der der Luisenhütte gegenüberliegende Stollen mit Schutthalde, das Schreiberhäuschen, die Erz- und Schlackenpoche, der Hüttenteich mit Borkebach, der Schuppen für Holzkohle, die Möllerrampe, der Möllerboden, der Hochofen, das Wasserrad, die Dampfmaschine, die Abstichhalle nebst Hochofen, die Gießhalle mit zwei Kupolöfen und die Platzknechtswohnung sind wichtige Stationen auf dem neu geplanten Rundgang der zukünftigen Besucher. Als interessantester Schwerpunkt der Luisenhütte gelten die Winderzeugungsanlagen: Ein durch Wasser des Borkebaches angetriebenes Wasserrad überträgt seine Energie auf zwei senkrecht stehende gusseiserne Zylinder, die in der Funktion als Blasebälge vorgewärmte Luftmassen durch regulierbare Düsen in den Ofen drücken. Eine Dampfmaschine mit ebenfalls senkrecht stehendem Zylinder und einem am Ort gegossenen Schwungrad von nahezu vier Metern Durchmesser ergänzt insbesondere bei Wassermangel des Borkebaches die regulierbare Luftzufuhr im Ofen. Diese aufeinander angewiesenen Anlagen verdanken ihre damals revolutionäre Technik dem Erfindergeist des Ignaz von Landsberg-Velen. Entgegen dem Rat seiner Fachkräfte hat er dabei manche technischen Probleme jedoch auf kosten- und zeitaufwendigen Irrwegen gelöst, um dem Ziel der Rückgewinnung von Energie und der Reduktion der kostspieligen Holzkohle näher zu kommen. Schließlich wurde trotz Modernisierung im Jahr 1854 die unvorstellbar große Menge von 15500 cbm Holzkohle verbraucht, die etwa 175 fache Menge des erzeugten Roheisens. Die Belastung für die Umwelt und die nahe wohnenden Menschen war unvorstellbar groß.
Das Beispiel der Lufterzeugung macht deutlich, dass die Funktionalität einzelner Arbeitsabläufe ohne fachkundige Informationen unverständlich bleibt. Betriebliche Abläufe und technische Funktionen werden in Bildern und Texten nachvollziehbar. Der 1951 gedrehte halbdokumentarische Tonfilm „Feuerstrom des Eisens“ vergleicht die Luisenhütte mit einem Hochofenwerk des 20. Jahrhunderts vergleichen. Bestimmte Einrichtungen, so die Druckluftgewinnung, sollen durch Schalterdruck in Bewegung gesetzt werden können. Ein Erzwagen (Hunt) und verschiedene Gewichte können bewegt werden, um eine Vorstellung von der beschwerlichen Arbeit zu erfahren. In der Gießhalle kann der Gast sich dank einer vollständigen Sammlung aller Werkzeuge den schweren Arbeitsalltag des Formers erschließen und sich von manchen idyllisierenden Vorstellungen dieses harten Berufes befreien. Dabei helfen ihm vielfältige originale Produkte, die in Vitrinen ausgestellt werden sollen. Verschiedene Gerätschaften liegen zum Anfassen bereit.
Neben der Veranschaulichung des geheimnisvollen Verfahrens der Eisen- und Stahlerzeugung werden sozial-, wirtschafts- und umweltgeschichtlich relevante Themen so reduziert dargestellt, dass der Besuch zu einem intensiven lernorientierten Erlebnis werden kann. Dabei sollen auch die Umweltbelastungen, der Abbau der Rohstoffe und die monokulturelle Bewirtschaftung als Preis für den neuen Wohlstand der Arbeiterschaft einander gegenübergestellt werden. |